Stammheim

Stammheim

Viele werden mich unter meinem Künstlernamen »Ado Hinkel« kennen. Anfang der 90er hat es mich von Kiel nach Hannover verschlagen und seit dieser Zeit bin ich in dieser Stadt, der Musik- und Kulturszene verwurzelt. Damals gab es in Hannover einige Underground-Locations mit einer musikalisch recht breit aufgestellten Szene.

Wie kamst du zur Musik? 

Durch den Sound, den man in den Clubs dieser Zeit gehört hatte, bekam ich Lust, eigene Ideen umzusetzen. Damals wusste ich noch nicht, dass Industrial/Noise ein bereits existierendes Genre war. Einstürzende Neubauten und ähnliche Bands hatte ich aber in Kiel schon gehört. 

Auf jeden Fall wollte ich laut sein, die Wände einreißen und die gewohnten musikalischen Hörgewohnheiten verlassen. Im hiesigen Club spielte ich einer Bekannten einen Track von mir vor und sie meinte direkt: »Du musst unbedingt mal meinen Freund kennenlernen. Der macht auch solchen Krach und ihr würdet euch sicher gut verstehen«. 

So kam es und Nils und ich planten, zusammen ein paar Split-Tapes zu veröffentlichen. Das war dann auch, Anfang/Mitte der Neunziger, die Geburtsstunde unseres Tape-Labels »Bunkersound-Kollektiv«. Unsere damalige Art, mit Sounds umzugehen, ergänzte sich sehr gut und so sind die neisten Veröffentlichungen zusammen entstanden, wenngleich es eigentlich getrennte Projekte waren. 

So richtig los ging es für uns, als Silvio von Membrum Debile Propaganda (einem damals extrem großen Mailorder für Industrial, Noise, Atonales etc.) bei mir anrief und mich fragte, ob wir bei ihm veröffentlichen wollen und ob er unsere Sachen bei sich in der Mailorder listen soll. 

Anfangs hab ich das für einen Scherz gehalten und direkt aufgelegt. Silvio hat dann nochmal angerufen mit den Worten »Aber nicht gleich wieder Auflegen bitte«. B:S:K wuchs und wir veröffentlichten unsere Sachen, hatten da auch schon ausreichende Kapazitäten einige, andere Projekte bei uns mit unterzubringen. 

Als mehr Live Auftritte anstanden, konnte Nils das zeitlich und privat nicht mehr und wir haben das Label aufgelöst. Seitdem haben wir keine Musik mehr zusammen gemacht. Mitte der 2000er Jahre ist es auch bei mir deutlich ruhiger geworden. 

Warum gerade dieser Sound? 

Gute Frage. Die kann ich so konkret garnicht beantworten. Musikalisch höre ich sehr viel verschiedene Genres. Von Ska über Folk (Ich spiele nebenbei auch Banjo und Cajon.) bis EBM und natürlich Industrial, Noise und was in diesen Bereich noch mit reinfällt. 

Was/wer hat dich musikalisch in der Vergangenheit inspiriert? 

Die düstere Atmosphäre von The Klinik und später auch Dive (Beides Projekte in denen Dirk Ivens maßgeblich involviert war.) fand ich auf jeden Fall super interessant. Die Live-Auftritte von Coil waren für mich immer sehr eindrucksvoll und haben mich, auch wenn ich ihre Musik nie so stark präferiert habe, in meinem eigenen Schaffen begleitet und inspiriert. 

Was sind deine aktuellen Projekte? 

Und da holt mich meine Vergangenheit wieder ein … Aus der langjährigen Zusammenarbeit mit Nils und dem Bunkersound Kollektiv sind noch einige musikalische Baustellen offen geblieben und Ideen, die seit Jahren in meinem Kopf rumgeisterten. Mitte der 2010er Jahre ergab es sich, dass jemand mir jemand seinen Korg MS-20 verkaufen wollte und ich so wieder Blut leckte. Ich bin sehr froh, dass ich auf dem Weg wieder zurück zu Industrial gefunden habe.

Achja – aktuelles Projekt ... Mit Stammheim Klangforschung habe ich die alten Wurzeln wieder aufgegriffen und ein Konzept-Projekt geschaffen, das sich mit den Stammheim Strafprozess und der RAF auseinander setzt. Über das WDR-Archiv bekommt man mittlerweile Zugriff auf einige der damals versehentlich nicht gelöschten und in irgendeinem Archiv eingestaubten Tonbandmitschnitte des Prozesses. Diese habe ich in einem Liveauftritt verarbeitet. 

Vielleicht wird es dazu auch noch ein eigenes Album geben. Ich bin vorerst froh, diese eine alte Baustelle hinter mir zu lassen und mich aktuellen musikalischen Ideen widmen zu können. 

Wo soll es hingehen? 

Früher war man jung und üngestüm, rastlos und voller Pläne. Ich denke, heute sehe ich das sehr viel gelassener und ich für meinen Teil habe jetzt keine festen Pläne oder Ziele die ich unbedingt erreichen will. Was nicht heißen soll, das ich musikalisch jetzt untätig wäre. Es ergeben sich viele interessante Kontakte und Möglichkeiten. 

An dieser Stelle sei auf das NO/NOISEOVER Projekt mit Michael von Mesopotam verwiesen. Industrial meets Berlin Techno. Nette Klänge im permanenten Dialog mit vermeintlichen Lärm.